Objektkonstanz: Definition des Begriffs
Bei der Objektkonstanz handelt es sich um einen Fachbegriff aus der Psychologie, genauer aus der Psychoanalyse. Grundlegend geht es dabei um die konstante Bindung des Kindes an die Bezugsperson. In der Regel sind das Vater und/oder Mutter. Das Kind erlernt die Fähigkeit, die Bezugsperson(en) buchstäblich “aus den Augen zu lassen”. Sind die Eltern außer Sichtweite und werden nicht mehr wahrgenommen, spürt das Kind dennoch deren Liebe und Fürsorglichkeit. Es wird also eine Bindung aufrechterhalten, selbst wenn Mutter oder Vater vorübergehend abwesend sind. So ist das Kind in der Lage, alleine zu sein, ohne sich einsam zu fühlen.
Analog zur Objektkonstanz wird auch der Begriff Objektpermanenz verwendet. Gemäß dem Modell der kognitiven Entwicklung nach Piaget erwirbt ein Säugling diese Objektpermanenz im Laufe der ersten 24. Monate seines Lebens.
Objektkonstanz lernen: Woher wissen wir, dass wir nicht „einsam“ sind, obwohl wir „alleine“ sind
Eines der großen Themen unserer Klient*innen ist Einsamkeit, Verlorenheit und das Gefühl, nicht dazu zu gehören. Oftmals haben Menschen dieses Gefühl sogar dann, wenn eine nahe Person direkt neben ihnen sitzt.
Es ist, als könnten sie nicht spüren, dass jemand „wirklich da“ ist. Das macht jede Beziehung sehr anstrengend und herausfordernd, da es oft einer permanenten Rückversicherung bedarf, dass die Partnerin/der Partner noch da ist. Je nach Bindungsmuster führt eine fehlende Objektkonstanz zu einem eher „klammernden“ oder einem sehr „autonomen“ Verhalten im Alltag.
Oftmals stellt es schon eine Bedrohung dar, wenn eine geliebte Person „nur“ weggeht – nicht im Sinne einer Trennung – sondern im Sinne einer allein ausgeübten Aktivität.
Dies wird oft als schwerwiegende Bedrohung erfahren und kann ein existentielles Gefühl von Einsamkeit antriggern (Verlustangst).
Dieses Problem, die geliebte Person nicht mehr in sich fühlen zu können, haben viele Menschen mit Entwicklungstrauma. Sie fühlen sich sowieso meist schon alleine, entfremdet und abgeschnitten. Dazu können sie das Gefühl von Verbundenheit kaum in sich halten, weder, wenn die andere Person real da ist, noch, wenn diese sich eigenständigen Aktionen widmet.
Die Fähigkeit, dieses Gefühl von Verbindung in sich zu fühlen, auch wenn die andere Person nicht präsent ist, ist die bereits erwähnte Objektkonstanz.
Objektkonstanz ist ein abstrakter Begriff aus der Psychologie, der sehr fühlbare und lebendige Konsequenzen für uns hat. Konnten wir Objektkonstanz in früher Kindheit lernen, bedeutet dies, dass wir fähig sind, eine geliebte Person auch dann in uns zu fühlen, wenn sie nicht da ist.
Auch wenn wir alleine sind, fühlen wir uns sicher und verbunden. Wir wissen um andere Menschen, die uns lieben, und fühlen dieses warme Gefühl in uns, dass deren Liebe uns gibt, selbst wenn wir im Moment alleine sind.
Fehlende Objektkonstanz in der Therapie
In der Psychologie spricht man also von Objektkonstanz oder Objektpermanenz, wenn das Kind im Laufe der Entwicklung gelernt hat, dass Mutter oder Vater auch noch existieren, selbst wenn sie nicht anwesend sind. Erlernt das Kind diese Fähigkeit nicht, führt Abwesenheit immer zu einer intensiven Verlusterfahrung. Dies weitet sich auch auf andere Beziehungen aus und gilt nicht nur für die eigenen Eltern. Besonders pikant: Das Individuum ist nicht in der Lage, das Selbst von Objekten zu trennen. Mit jeder Verlusterfahrung wächst die Angst, dass ein Teil von sich selbst verloren geht.
Wie gehen wir also mit Klient*innen mit fehlender Objektpermanenz um? – Menschen ohne Objektkonstanz haben ein tief in sich verwurzeltes Gefühl einsam zu sein. Das Problem dabei ist, wie bereits erwähnt, Folgendes: Häufig tendieren Betroffene dazu, Kontakte abzuschneiden und Bindungen zu vermeiden. Auch das ständige “Sich-rückversichern-müssen“, ob man noch geliebt wird, ist ein verbreitetes Symptom. Dies kann für die Bezugspersonen durchaus anstrengend und belastend sein, insbesondere wenn die Bereitschaft dafür fehlt, sich in die Situation der oder des Betroffenen hineinzuversetzen.
Die wichtigste Aufgabe in der Therapie ist es, den Klient*innen dabei zu helfen, Objektkonstanz aufzubauen. Nur wenn wir eine besonders gute Verbindung herstellen, schaffen wir es, dass Menschen ohne Objektpermanenz in der Lage sind, uns im Rahmen der Therapie “mitzunehmen” und über ihre Erfahrungen, Sorgen und Ängste zu sprechen. Ob Psychotherapie, Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie — Kommunikation ist dabei das A und O. In diesem Zusammenhang empfehle ich dir noch meinen Blogbeitrag zur therapeutischen Gesprächsführung.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Vimeo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Schau dir gern neben weiteren Videos auf meinem YouTube-Kanal auch die Angebote rund um die Traumatherapie-Fortbildung und entsprechende Weiterbildungen an.