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Trauma und Bindung: Tipps für Therapeuten

von | 09.06.2017 | 0 Kommentare

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Transkript:

Trauma und Bindung – Tipps für Therapeuten

Ich bin Dami Charf und in diesem Beitrag zum Thema Trauma und Bindung geht es um die Rolle von uns Therapeuten. Ich habe hier einfach ein paar Tipps für dich zusammengestellt und hoffe, dass sie dich bei deiner Arbeit unterstützen. Ich habe dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es sind einfach die Dinge, die mir besonders wichtig sind.

Die therapeutische Arbeit mit Traumata und Bindungsverletzungen gehört zu den schwierigsten Aufgaben, die uns begegnen können. Denn der Klient hat hier praktisch gar keinen Halt mehr, vor allem wenn er sowohl an Schocktraumata als auch an einem Entwicklungstrauma leidet. Die frühen Verletzungen, welche das Entwicklungstrauma auslösten, geben ihm ein grundsätzliches Gefühl von Unsicherheit in der Welt und die Selbstregulationsfähigkeit wird gravierend herabsetzt.

Besondere Merkmale von Klienten

So ein Klient hat dann meistens ganz bestimmte Merkmale. Eines davon ist, dass er Rollen sofort erkennt und sich dann nicht mehr sicher fühlt, d.h. der Klient durchschaut Menschen auf eine bestimmte Weise extrem gut. Er sieht sofort, ob wir bloß unsere Rolle spielen und die Zeit mit ihm absitzen oder ob unser Verhalten echt ist und wir wirklich eine Beziehung suchen. Diese Klienten werden sich aber auch bei ersterem nicht beschweren, weil sie zu sehr im Kopf gefangen sind und das Körperliche nicht fühlen. Sie kennen es einfach nicht anders, weil sie selbst aus einer Art von Beziehungslosigkeit und einer Form von Alleinsein kommen.

Gleichzeitig ist das die große Chance, die wir haben: Wir müssen deutlich machen, dass wir wirklich präsent sind und erkennen wie einsam und unverstanden unser Gegenüber sich eigentlich fühlt. Meistens haben die Klienten ständig Angst vor Bindungen und davor, jemanden zu brauchen, also in Abhängigkeit zu geraten. Ich sprach bereits in einem früheren Beitrag an, dass oft eine Entscheidung für die starke Autonomie, dass man niemanden mehr braucht, stattfindet. Das liegt in der Angst vor der Verletzlichkeit begründet, die dadurch entsteht, wenn man jemanden braucht. Es hängt oft auch mit der Überzeugung zusammen, dass einem etwas Schlimmes passiert, dass man ausgenutzt wird, oder die Person einen sowieso verlässt.

Echte Autonomie braucht davor eine Phase der Abhängigkeit. Und das fehlt Kindern, die keine Abhängigkeit erleben durften, weil da niemand war, der sie bemuttert hat. Wird das übersprungen, so entsteht eine Angst vor Abhängigkeit, die sich fest im Erwachsenenalter hält. Das äußert sich z.B. darin, dass sie nicht um Hilfe bitten können. Das wiederum ist aber ein entscheidender Faktor bei echter Autonomie. Leider wird in unserer Gesellschaft oft etwas Gegenteiliges vorgelebt.

Authentischer Kontakt

Trau dich einen authentischen Kontakt herzustellen und sei nicht „therapeutisch“. Ich sehe immer wieder bei meinen Ausbildungen, dass es so eine bestimmte therapeutische Attitüde gibt, die wir in unserem Job lernen, die wir uns angewöhnt haben und die oftmals unangebracht ist. Denn sie erzeugt eine Distanz zu unserem Gegenüber.

Wir müssen es schaffen, ein Stück weit in unserer Rolle, bei unserer Aufgabe zu bleiben, und trotzdem wir selbst zu sein. Dieses authentische Verhalten, das dem Gegenüber kommuniziert, dass hier jemand ist, der selbst auf einfach Mensch ist und nicht nur Therapeut, ist nicht immer leicht zu realisieren. Aber genau darauf kommt es an.

Körpergefühl

Wie oben schon kurz angesprochen, sind fehlt den meisten der Klienten das Gefühl für den Körper, sie leben nur in ihrem Kopf. Bei geistiger Überlastung werden manche von ihnen eher wirr, also ist hier Vorsicht geboten. Wichtig ist das Einbeziehen des Körpers. Wir sollten spiegeln, was wir an ihrer Körpersprache wahrnehmen, sie also auf ihren eigenen Körper aufmerksam machen. Denn das fällt ihnen selbst sehr schwer. Ihr Körpergefühl ist aber von großer Bedeutung, da wir uns nur über unseren Körper selbst regulieren können. Es ist also wichtig, dass wir als Therapeuten uns in den Körper der Klienten „hineinfühlen“.

Das Sein und das Hier-und-jetzt

Arbeite auf der Ebene des Seins: Hör auf, etwas von dem Klienten zu wollen, irgendwelche Ziele zu verfolgen. Die Klienten haben oft schon eine „therapeutische Odyssee“ hinter sich, bei der sie immer etwas tun mussten. Trau dich wirklich mal nichts zu tun. Es fällt den meisten von sehr schwer, einfach nur mit jemandem eine Stunde lang da zu sitzen und womöglich nicht einmal zu reden.

Du kannst einfach die Hand des Klienten halten, oder dafür sorgen, dass ihr nebeneinander sitzt. Ich selbst habe mir dafür extra eine Couch angeschafft. Durch die Berührung kann man einander besser spüren. Das gibt den Klienten die Möglichkeit im Hier-und-jetzt anzukommen. Das ist nur im Sein und nicht im Tun möglich, da wir bei letzterem immer ein Stück von uns weg gehen.

Viele der frühen Verletzungen sind entstanden, als die Person gar nichts tun konnte. Und deshalb ist die Situation, bei der wir uns einfach nur neben die Person setzen und sagen, dass wir da sind, so berührend. Wir machen klar, dass sie nichts dafür tun muss, dass nichts von ihr verlangt wird. Gib dem Klienten auch immer die Möglichkeit, dich anzusehen, dich zu überprüfen. Das sorgt dafür, dass er sich in dem Raum mit dir nicht bedroht fühlt. Das alles erfordert einiges an Mut auf der therapeutischen Seite, das ist mir durchaus bewusst.

Körperkontakt

Biete ständig deinen Körperkontakt an. So kannst du die Selbstregulation des Klienten durch eine Koregulation einleiten. Das fängt schon allein durch deine Anwesenheit im Raum an. Aber durch den Körperkontakt wird der Effekt intensiviert. Du unterstützt die Person dabei, immer am Rand der Gefühle zu bleiben und nicht zu tief in sie einzutauchen. Das heißt nicht, dass die Person nicht mehr weinen darf, ganz im Gegenteil, das ist sogar sehr wichtig. Sie soll nur nicht in den Gefühlen versinken oder untergehen. Du gibst ihr die Ruhe, damit sie nicht sofort wieder in die alten Muster fällt. Es ist also deine Aufgabe, die Gefühle sozusagen zu dosieren und dabei immer klar zu machen, dass der Klient nicht fliehen muss, sondern du bei ihm bist.

Lehre deinen Gegenüber, dass sie oder er willkommen und vollkommen in Ordnung ist, so wie sie oder er ist. Sag der Person das und auch, dass ihre Macken in Ordnung sind. Weise explizit darauf hin, dass du ebenfalls Macken hast. Auch wenn das für uns selbstverständlich klingt, denken viele Klienten, dass das Leben aller anderen perfekt ist und völlig reibungslos verläuft. Sie glauben, dass andere nie frustriert sind oder vielleicht sogar am Boden zerstört. Du kennst es vielleicht, dass sie extremen Stress mit Sexualität und dem Ausleben dieser haben. Auf die Frage, was ihre Vorstellung ist, wie das bei anderen läuft, höre ich dann, dass sie meinen, andere hätten fünf Mal die Woche mit Begeisterung drei Stunden Sex. Nimm dem Klienten solchen Irrglauben. Zeige, dass es trotz vieler Probleme möglich ist, ein glückliches Leben zu führen.

Eigene Körperwahrnehmung des Therapeuten

Es ist auch wichtig, dass du dich selbst fühlst. Dein Gegenüber merkt, wenn du abwesend oder abgelenkt bist und dann ist es für ihn wieder nur die gewohnte, distanzierte Beziehung. Gleichzeitig ist das bewusste Erleben unseres eigenen Körpers unser bestes Instrument, um zu spüren, was in dem Klienten vorgeht. Das äußert sich z.B. in einer Traurigkeit, bei der wir merken, dass es gar nicht unsere eigene ist, sondern die des Gegenübers. Das kennst du sicher auch.

Das Herzstück der Behandlung ist, vor allem für diese frühen Verletzungen, die Koregulation und die Erhöhung der Selbstregulation des Klienten. Und die erreichen wir nur durch Beziehungen. Die Statistiken sagen, dass das heilsamste in Therapien nicht die Therapieform, sondern der Therapeut und die Beziehung, die er aufbaut, sind. Dafür ist es wichtig, dass wir als Therapeuten uns unserer eigenen Bindungsmuster bewusst werden, da wir diese in jede Therapie mit einbringen.

Ich erlebe oft, dass Therapeuten ihr eigenes Bindungsmuster unbewusst ausleben, die Situation also so regulieren, dass sie nicht den Bedürfnissen des Klienten, sondern ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen. So reagieren manche z.B. wenn ein Klient ihnen näher rutscht, indem sie zurück rutschen, ihm also ausweichen. Die körpersprachliche Aussage dahinter wird vom Klienten sofort verstanden. Wenn es uns tatsächlich zu weit geht und wir etwas im Moment nicht wollen, dann dürfen wir nicht ausschließlich mit unserem Körper unbewusst reagieren, sondern wir müssen es ansprechen, etwa dass uns die Nähe im Moment zu viel ist. Dadurch vermeiden wir, dass die Botschaft falsch interpretiert wird.

Ich hoffe, diese Überlegungen haben dir etwas gebracht und ich freue mich, wenn du auf meiner Seite therapeuten.traumaheilung.de immer wieder vorbei schaust.

Tschüss bis zum nächsten Blogeintrag!

Deine Dami Charf

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