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Transkript
Wie bearbeite ich Inhalte, an die sich Klienten nicht erinnern
Hallo, herzlich willkommen zu Deiner Mailserie für Therapeuten und andere Fachleute, die sich für das Thema Arbeit mit traumatisierten Klienten interessieren. Ich bin Dami Charf und heute möchte ich etwas über das Thema Erinnerung sagen und über die Arbeit mit Erinnerung.
Im letzten Teil ging es um das implizite und das explizite Gedächtnis. In vielen Therapieformen wird das explizite Gedächtnis sehr in den Vordergrund gestellt. Die Begrenzung, die wir dann haben, ist schlicht und einfach, dass sich Klienten an viele Dinge gar nicht erinnern können. Wenn sie sich nicht erinnern können, können sie es auch nicht erzählen. Schon haben wir riesige Lücken in der Verarbeitung und Bearbeitung.
Eine der Hauptfragen, die ich immer wieder von Betroffenen gestellt bekomme, ist, was man macht, wenn man sich absolut nicht erinnern kann, selbst wenn man gerne würde. Vor allem Menschen, die sexuelle Gewalt erlebt haben oder zumindest glauben, das erlebt zu haben, fragen immer wieder, wie sie an diese Erinnerung kommen sollen. Es ist wichtig, Klienten aufzuklären, dass ihnen diese Erinnerung nichts nützen wird. Sie wird ihr Leben nicht besser machen. Das ist das große Dilemma: die Verknüpfung von Wissen mit Lösung, die leider eine falsche ist. Der Kopf denkt, dass er etwas besser kontrollieren kann, wenn er es weiß, aber leider hat das in 90% der Fälle keine Wirkung auf den Alltag.
Das ist eine Aufklärung, die für Klienten wichtig ist, dass es für ein besseres Leben nicht notwendig ist, alles zu wissen, was passiert ist. Manchmal schützt das System sich vor sich selbst und vor schlimmen Erinnerungen. Ich weiß bis heute einige Dinge nicht oder nur fragmentarisch und das ist okay, ich will gar nicht alles wissen, mein Leben ist auch so in Ordnung. Ich bin in Therapie nicht darauf angewiesen, mit Klienten einen lückenlosen Lebenslauf zu erstellen.
Es ist viel wichtiger, damit zu arbeiten, was im Hier und Jetzt hochkommt, und was im Leben aktuell ist. Alles, was war, wird heute wieder erscheinen und sich zeigen, vor allem in nahen Beziehungen, im Umgang mit mir selbst, in meinem inneren Dialog und im Erleben meines Alltags. Das sind die Dinge, mit denen ich arbeiten kann. Ich muss nicht immer in biographische Erinnerungen zurückgehen und jede Kindheitsgeschichte durchwühlen, damit sich Veränderung einstellt. Es geht vielmehr darum, Bewusstsein darüber in die Klienten zu bringen, wie sie heute agieren und Muster von früher reetablieren. Wir sind Teil davon und es ist wichtig, zu begreifen, dass auch die Dynamik, die zwischen uns entstehen wird, für Klienten oftmals, wenn es unglücklich läuft, eine Wiederholung von dem ist, was sie schon kennen.
Wenn wir beispielsweise Klienten haben, die sehr bedürftig sind und uns anrühren, und wir kommen in unseren Kümmermodus, von dem wohl kaum ein Therapeut durchgehend frei ist, aber irgendwann merken wir, dass das total auslaugend ist, und ziehen uns zurück, wird das bemerkt. Sofort sehen sich die Klienten wieder in der Situation, dass sie abgelehnt werden, wenn sie sich zeigen und öffnen.
Diese Dynamiken sollten uns bewusst sein. Wir zeigen teilweise nur durch Mikrogesten, was wir von jemandem halten, deshalb sollten wir immer genau darauf achten, wie unsere Gegenübertragung zum Klienten gerade läuft. In Ausbildungsgruppen sehe ich immer wieder, dass, wenn Klient und Therapeut miteinander üben und Settings kreieren, der Klient den Stuhl nimmt und ein Stück näher an den Therapeuten heranrückt, und dieser ganz dezent ein wenig vom Patienten wegrückt. Das ist eine klare und eindeutige Botschaft, die ich meinem Klienten gebe: komm mir bloß nicht zu nahe, so nahe möchte ich Dich nicht.
Das sind die Dinge, mit denen ich arbeiten kann, bei denen die impliziten Erinnerungen hochkommen, auch Deine eigenen, und wo wir nicht darauf angewiesen sind, immer nur mit expliziten Erinnerungen zu arbeiten, sondern mit dem, was sich heute zeigt und was sich in der Therapie zeigt. Die Beziehung, die Du mit jemandem aufbaust, ist eines der größten Arbeitsfelder, die Dir geschenkt werden, um Veränderungsprozesse genau zu sehen, zu beobachten und auch zu kreieren.
Dass Erinnerungen nur ein kleiner Teil sind, mit dem wir arbeiten können, und dass das Hier und Heute, wie Menschen leben, die zu uns kommen, uns ein riesiges Feld eröffnet, das meistens bewusst oder unbewusst eine Verknüpfung zu damals hat, finde ich sehr wichtig. Manchmal tauchen im Zuge dieser Bearbeitungen auch vergessene Erinnerungen wieder auf.
So weit für heute, bis zum nächsten Mal, tschüs, Dami.

